Die glanzvolle Vision, dass Autos uns schon bald überallhin chauffieren werden, leuchtet aktuell ziemlich blass – trotz technischer Fortschritte. Eine Standortbestimmung mit Beispielen von Projekten in Deutschland und den USA.
Gesetzlicher Rahmen für vollautomatisierte Fahrzeuge steht
Wie die Hersteller die Autos fürs Selbstfahren fit machen
Autonome Autos werden sich laut Prognos-Studie erst ab 2040 durchsetzen
Fahrerlose Autos sollten in Deutschland eigentlich heute schon am Straßenverkehr teilnehmen können. Schon seit vielen Jahren sind die Ingenieure fast aller Autohersteller mit Systemen zum automatisierten und hochautomatisierten Fahren unterwegs. Der ambitionierte Zeitplan hat sich jedoch immer wieder verschoben. Die zu entwickelnde Technik auf Seiten der Autohersteller wie auch die Rechtslage auf Seiten der Gesetzgebung waren offenbar komplexer als gedacht.
Im Mai 2021 haben Bundestag und Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, nach dem vollständig autonome Fahrzeuge in Deutschland grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen können. Die konkreten Ausführungsbestimmungen folgen nach und nach. Trotzdem: Bis erste fahrerlose Autos auf deutschen Straßen unterwegs sind, wird es wohl noch Jahre dauern. Die Übergangsphase wird geprägt von hochautomatisierten Fahrsituationen: beim Abstellen von Autos in Parkgaragen, bei Stausituationen und Kolonnenfahrten auf der Autobahn.
Die Vorteile selbstfahrender Autos
Für die Gesellschaft liegt eine Chance autonom fahrender Autos darin, ältere oder leistungseingeschränkte Menschen besser einzubinden. Sie setzen sich rein und lassen sich bringen, wo immer sie hin müssen: ob zum Arzt, zur Apotheke, zum Einkaufen oder in die Oper. Überhaupt wird jeder und jede Einzelne die Zeit im Auto produktiv oder zur Erholung nutzen können mit entsprechender Technik. Der Verkehr läuft möglicherweise flüssiger. Güter könnten rationalisierter und umweltschonender transportiert werden. Vollautomatisierte Taxis oder Busse fahren eines Tages vielleicht so günstig, dass sich auch der ländliche Raum erschließen lässt.
Fest steht auf jeden Fall: Mit dem Grad der Automatisierung werden sich die Unfallzahlen weiter reduzieren. Denn für immerhin 90 Prozent aller Crashs ist menschliches Versagen die Ursache. Allerdings wird dieser Prozess langwierig sein, weil konventionelle und automatisierte Fahrzeuge noch sehr viele Jahre im Mischverkehr fahren werden. Verhindert werden muss dabei, dass die autonomen Systeme versagen oder Verkehrssituationen falsch einschätzen.
Einen Meilenstein dazu gesetzt hat die Autoindustrie mit der Car-to-Infrastructure-Kommunikation (Car2X). Mit Car2X können Autos hilfreiche Informationen über den Verkehrsfluss bzw. über Verkehrsbehinderungen und Gefahrenstellen austauschen. In Modellen von VW ist die Technik schon heute ohne Aufpreis an Bord. Kommuniziert wird im Golf per WLAN. Andere Hersteller setzen auf den Mobilfunk als Übertragungsweg.
Vorreiter in den USA: Waymo und Cruise
Der Wettbewerb um die beste Technologie für das autonome Fahren ist weltweit in vollem Gang. Im US-Bundesstaat Arizona, genauer in einem Vorort von Phoenix, lässt Waymo – eine Schwesterfirma von Google – schon eine ganze Weile Roboterautos als Taxis fahren, zum Teil auch ohne Sicherheitsperson hinter dem Lenkrad. Kunden und Kundinnen können ihre Fahrt per App ordern und werden dort abgeholt, wo sie sich gerade befinden. Filme dazu gibt es im Internet zuhauf. Die Technik von Waymo erscheint enorm weit fortgeschritten. Sie ist aber auch extrem aufwendig und teuer. Und teils kommt es zu skurrilen Szenen, wenn ein autonom fahrendes Auto nicht mehr weiß, was es machen soll, und einfach stehen bleibt.
Aktuelle Fälle betreffen die Firma Cruise: Kurz nachdem die Behörden deren Autos grundsätzlich erlaubt hatten, zahlende Fahrgäste im gesamten Stadtgebiet von San Francisco rund um die Uhr auch ohne einen Sicherheitsfahrer zu befördern – das war im August 2023 –, brach Chaos auf den Straßen der kalifornischen Metropole aus. Mehrere Robotaxis von Cruise – Cruise gehört dem Automobilriesen General Motors – blockierten eine Straße. Vermutlicher Grund: ein Datenloch wegen der Überlastung des Mobilfunknetzes. Ein Wagen blieb zudem im frischen Beton einer Baustelle stecken. Dazu kam ein Unfall mit einem Feuerwehrwagen. Daraufhin forderte die kalifornische Verkehrsbehörde die Firma Cruise auf, die Zahl der Robotaxis zu halbieren.
Anfang Oktober 2023 wurde ein fahrerloses Taxi in einen Unfall verwickelt, woraufhin nun die Lizenz zum autonomen Fahren entzogen wurde. Das Robotaxi, so die kalifornische Verkehrsbehörde, sei ein "unzumutbares öffentliches Risiko". Hintergrund: Bei dem Unfall war eine Fußgängerin von einem anderen Auto angefahren und vor das Robotaxi geschleudert worden. Dessen Notbremsung konnte eine zweite Kollision nicht mehr vermeiden. Schlimmerweise fuhr das Cruise-Auto dann "aus Sicherheitsgründen" zur Seite und schleifte die Frau bei dem Manöver mehrere Meter mit.
Deutsche Hersteller holen auf
Die deutschen Autohersteller agieren im Vergleich dazu eher vorsichtig. Aber sie versuchen mit den Entwicklungen von Waymo und Cruise Schritt zu halten. Schon 2019 hat BMW dafür eigens einen BMW-Campus in Unterschleißheim bei München gegründet, wo rund 1700 Spezialisten und Spezialistinnen daran arbeiten, die notwendige Software-Algorithmik für hochautomatisiertes Fahren zu entwickeln. Für die Speicherung von im realen Straßenverkehr erhobenen Daten hat BMW zwei Datencenter mit einer Kapazität von 500 Petabyte (PB) errichtet – eine Speichergröße, in der alle jemals in der Menschheitsgeschichte geschriebenen und gedruckten Wörter fünfmal Platz hätten.
Ein gemeinsames Projekt von Daimler und dem Autozulieferer Bosch ist ein Mitfahrservice in den USA. Besser gesagt: war es. Das Projekt ist eingestellt. Im Silicon Valley pendelten – von einem Sicherheitsfahrer überwacht – einige S-Klasse-Mercedes selbstständig zwischen dem westlichen Stadtteil von San José und dessen Stadtzentrum hin und her. So wurden im Bereich der Umfeldwahrnehmung, Lokalisierung und der Fahrstrategie wichtige neue Technologien, Softwares und Patente erarbeitet, erklärt Mercedes.
In Deutschland hat Mercedes inzwischen die Zulassung für den sogenannten Drive Pilot, einen Staupiloten auf der Autobahn, bekommen. Ein System, das bei Geschwindigkeiten bis 60 km/h die Fahraufgaben übernehmen kann. Ist das System aktiv, darf der Fahrer oder die Fahrerin sich vom Verkehrsgeschehen abwenden und beispielsweise sein bzw. ihr Handy nutzen. Die Verantwortung wechselt vom Fahrer oder der Fahrerin auf das Auto (Level 3) – ein absolutes Novum im deutschen Straßenverkehr.
Hochautomatisiert: BMW und Mercedes
Um technologisch mitzuhalten, setzt Mercedes-Benz auf Kooperationen außerhalb des Automobilbereichs. Beispiel hierfür ist die Entwicklungsarbeit mit der Firma Nvidia. Ergebnis soll ein fahrzeuginternes Computersystem sein, das mit künstlicher Intelligenz funktioniert. Diese schlaue Technik soll alsbald in allen Mercedes-Benz-Baureihen eingeführt werden. Und es später einmal ermöglichen, schon zugelassenen Autos per Software-Update Funktionen des automatisierten Fahrens nachträglich aufzuspielen.
So ähnlich wie bei Mercedes mag man sich die Zukunft des Autofahrens auch bei BMW vorstellen. Allerdings sorgte BMW-Chef Oliver Zipse auf der CES 2023, der bekannten Elektronikmesse in Las Vegas, durch kritische Bemerkungen für Aufsehen: Welcher Autokäufer und welche Autokäuferin würde ein System teuer bezahlen wollen, das weder bei Nacht, noch bei Regen oder Nebel funktioniere, wie es derzeit bei Level-3-Systemen der Fall sei, fragte Zipse. Auch sei das Risiko für die Autohersteller zu hoch, dass bei der Übergabe der Kontrolle zurück zum Fahrer bzw. zur Fahrerin etwas schiefginge.
Gleichwohl bietet BMW seinen Kunden und Kundinnen hochautomatisierte Fahrfunktionen an. So kann und darf der neue 7er-BMW in Kalifornien über die Highways schnüren, ohne dass der Fahrer oder die Fahrerin die Hände am Lenkrad hat. Allerdings muss er oder sie den Blick stets auf die Straße gerichtet haben, und man darf sich nicht mit anderen Dingen beschäftigen. In Deutschland hat ein weiterentwickelter Autobahnpilot des BMW i5 den Segen des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) erhalten. Der BMW i5 übernimmt die Fahraufgabe bis zur Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Der Griff zur Zeitung oder zum Handy bleibt aber untersagt, und der Blick des Fahrers oder der Fahrerin muss auf der Straße bleiben (Level 2+). Auch hier bleibt die Verantwortung bei dem oder der Fahrenden.
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Enorme Rechenleistung
Als Entscheidungsgrundlage für die Fahraktionen fallen im autonomen Auto pro Minute fünf Gigabyte Daten zur Verarbeitung an. Die Rechenleistung an Bord kommt ungefähr der von 15 Laptops gleich. Zukunftsfahrzeuge sollen das Verkehrsgeschehen für rund zehn Sekunden vorausberechnen können und alle möglichen Verkehrsszenarien beherrschen, und zwar überall auf der Welt. Und die Systeme müssen in Zukunft nicht nur verkehrs-, sondern auch datensicher entwickelt sein, um mögliche Cyberangriffe abwehren zu können. Die Zahlen zeigen, vor welch großen Herausforderungen die Autohersteller stehen.
Ford: BlueCruise (Level 2+)
In kleinen Schritten geht es bei Ford in Richtung automatisiertes Fahren. So ist der Mustang Mach-E das erste Modell in Europa, das mit BlueCruise-Technologie ausgestattet werden kann. Das Level-2plus-System funktioniert bis 130 km/h, lenkt selbsttätig, reguliert den Abstand zum Vorausfahrenden, und der Fahrer oder die Fahrerin darf dabei dauerhaft die Hände vom Lenkrad nehmen. Ford hat für das in den USA schon länger bekannte System für Deutschland und Großbritannien eine Genehmigung erhalten. Weitere europäische Länder sollen folgen.
Auf 95 Prozent der deutschen Autobahnabschnitte, Ford nennt sie "Blue Zones", steht die Funktion zur Verfügung, nur in Tunneln (kein GPS-Empfang) und in sehr haarigen Autobahnkurven nicht (sehr selten). Sonst sei die Verfügbarkeit sehr groß, sagen die Ford-Ingenieure.
Überholen soll aber erst die nächste Ausbaustufe von BlueCruise können. Bis dahin muss der menschliche Fahrer oder die Fahrerin selbst den Blinker setzen und auf die linke Spur lenken. Ohnehin ist beim Ford-System der Fahrer bzw. die Fahrerin noch in der Verantwortung: Den Blick von der Straße darf er oder sie nicht abwenden.
Der autonome VW ID. Buzz in Hamburg
Bei Volkswagen war die Entwicklungspartnerschaft mit dem amerikanischen Tech-Unternehmen Argo AI schnell wieder beendet, doch zu den Akten wurde die Idee autonom agierender Fahrzeuge nicht gelegt. Die Prototypen auf Basis des vollelektrischen ID. Buzz sollen weiterentwickelt und in die Erprobung geschickt werden. Ausgestattet mit einer Kombination aus Lidaren, Radaren, Kameras und Laserscannern, werden aktuell umfangreiche Testfahrten mit Prototypen in München durchgeführt.
Carsten Intra, CEO von Volkswagen Nutzfahrzeuge sagt dazu: "Die Serienversion unserer ID.-Buzz-AD-Fahrzeuge präsentieren wir im Jahr 2025. Diese wird dann zuerst in Hamburg bei MOIA eingesetzt. Weitere Städte in Deutschland und in den USA werden folgen."
Mobileye und Sixt: Robotaxis in München
Mitmischen will auch der Autovermieter Sixt, in Kooperation mit Intel und Mobileye. Die Rede ist von selbstfahrenden Ride-Hailing-Diensten in München und Tel Aviv. Unter Ride-Hailing versteht man den App-basierten Verkauf von Fahrten mit einem privaten Pkw, das US-amerikanische Unternehmen Uber bietet diese Dienstleistung in vielen Ländern an. Als deutscher Partner für Intel und Mobileye fungiert der Autovermieter Sixt.
Nach Medienberichten hat Mobileye schon eine Zulassung durch den TÜV SÜD erhalten, Fahrzeuge auf Basis des Nio ES8 auf deutschen Straßen zu betreiben. Noch 2023 sollten demnach Robotaxis von Sixt mit einer Person zur Sicherheit hinter dem Lenkrad durch München fahren.
Das allerdings verzögert sich nach Aussage einer Unternehmenssprecherin: "Bei dem ambitionierten Projekt hat die erforderliche Sicherheit die höchste Priorität. Daher gehen wir besonnen einen Schritt nach dem anderen. Dies bedeutet, dass das Projekt mehr Zeit in Anspruch nehmen und länger dauern wird als ursprünglich angenommen. Aktuell wird auf Projektebene definiert, wie die nächsten Schritte aussehen und wann das Projekt in die nächste Phase geht."
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Author: Gregory Johnson
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